tebe. Talk Interview zum Hinweisgeberschutzgesetz

Interim

Das Hinweisgeberschutzgesetz kommt und betrifft alle Unternehmen ab 50 Mitarbeitern. Spätestens im Januar 2023 soll es in Kraft treten. Wir haben mit dem Experten Frank Altenseuer ein Interview über Herausforderungen und Chancen für Unternehmen geführt.

Frank Altenseuer ist nicht nur ein renommierter Experte mit den Schwerpunkten Compliance, Geldwäschebekämpfung und Fraud. In seiner langjährigen Erfahrung als freier Berater widmet er sich u.a. der risikofokussierten Optimierung interner Kontrollsysteme und steht in kontinuierlichem Austausch mit Juristen – beispielsweise zum Thema Hinweisgeberschutz.

Herr Altenseuer, das Thema Whistleblowing ist ja für Juristen, aber auch Unternehmen gleichermaßen von großer Bedeutung. Lange Zeit hat man sich hier in Deutschland – zumindest in den Medien – nur sehr sporadisch mit dem Thema auseinandergesetzt. Und dann kam Edward Snowden, der aktuell wohl bekannteste Hinweisgeber. Haben Sie das Gefühl, dass das Thema hierdurch grundsätzlich eine größere Relevanz erhalten hat?

Meines Erachtens war die Relevanz dieses Themas von Anfang an sehr hoch. Durch Hinweisgeber wie etwa Edward Snowden rückte Whistleblowing jedoch stark in die Aufmerksamkeit. Bei Unternehmen wuchs hier durchaus das Bewusstsein, dass auch sie sich mit Hinweisgebern auseinandersetzen sollten.

Wie kommt es denn, dass Deutschland innerhalb Europas überhaupt so ein Nachzügler ist, was den Hinweisgeberschutz angeht? Die ursprünglich gesetzte Frist zur Verabschiedung einheitlicher Richtlinien ist ja bereits verstrichen…

Tatsächlich existierte die Vorgabe, eine entsprechende Richtlinie der EU bis Dezember 2021 in nationales Recht umzusetzen. Eine solche Umsetzung hängt letztlich stets vom politischen Willen einer Regierung ab. Fehlt dieser, so wird eine Umsetzung geltenden EU-Rechts praktisch nicht möglich. Aber mit Blick nach vorne sehen wir, dass nunmehr Bundestag und Bundesrat mit der Gesetzgebung befasst sind. Experten rechnen mit einem zeitnahen Inkrafttreten, vermutlich noch im Dezember dieses Jahres.

Im Zentrum des Gesetzes steht ja der Schutz des Hinweisgebers. Das heißt, er muss vor jeglichen Repressalien und Benachteiligungen, die sich durch eine Meldung ergeben könnten, geschützt sein. Ein zentrales Stichwort ist hier Anonymität. Wie genau sind hier die Regelungen?

Das stimmt, §8 des  Hinweisgeberschutzgesetzes sieht ausdrücklich die Wahrung der Vertraulichkeit vor: Und zwar nicht nur die Wahrung der Identität der hinweisgebenden Person, sondern natürlich auch die Vertraulichkeit von Personen, die Gegenstand einer Meldung sind oder in deren Zusammenhang benannt werden.

Wenn ich im Unternehmen intern keine freien Ressourcen habe, die einen Prozess zur Umsetzung der HinSchG- Richtlinien etablieren und begleiten können, welche Möglichkeiten gibt es dann, dem neuen Gesetz gerecht zu werden?

Grundsätzlich gibt es zwei Möglichkeiten, das Thema anzugehen: Entweder ich source das Thema aus und nutze eine externe Anlaufstelle wie beispielsweise eine Kanzlei, die für mich die Abwicklung übernimmt oder ich nehme mich als Unternehmen selbst dem Thema an. Dann kann ich mir beispielsweise für eine begrenzte Zeit einen Compliance-Manager ins Unternehmen holen, der Prozesse aufsetzt und bestehendes Personal schult. Die interne Variante würde ich bevorzugen, da sie sich mit Know-How und entsprechender Software gut realisieren lässt.

Was genau spricht denn gegen eine externe Lösung, um die neuen Richtlinien umzusetzen?

Beim Outsourcen entsteht zum einen der Eindruck, dass das Thema von der Unternehmensleitung nicht wirklich ernst genommen wird. Zum anderen ist nicht kontrollierbar, inwiefern eine ständige Verfügbarkeit der Anlaufstelle tatsächlich gewährleistet ist. Und auch die Kosten für eine externe Lösung können im Vergleich sehr hoch sein. Und noch ein Nachteil liegt auf der Hand: Natürlich haben externe Stellen nicht das gleiche Wissen über Begebenheiten im Unternehmen. Wenn nun die Nachricht eingeht, dass in Gebäude 1 eine Gefahrenquelle vorhanden ist, kann ein Externer nicht unmittelbar einschätzen, wie viele Personen davon betroffen sind und welche unmittelbaren Maßnahmen zur Gefahrenabwehr einzuleiten sind.

Worin sehen Sie die größten Herausforderungen für die Unternehmen, wenn das neue Hinweisgeberschutzgesetz kommt und wer muss hier noch seine Hausaufgaben machen?

Grundsätzlich ist es ein Signal an alle Unternehmen und zwar branchenunabhängig, sich mit dem Thema Business-Ethik auseinanderzusetzen. Das heißt, sich noch mal vor Augen zu führen, welche Werte im Unternehmen verfolgt werden und hierzu auch die Mitarbeitenden abzuholen und konkrete Verhaltensrichtlinien in einem Code of Conduct festzuhalten.

Auch wenn es zunächst einmal für die meisten Unternehmen einiges an Vorbereitung bedarf, um einen geeigneten Prozess aufzusetzen, bietet ein gut durchdachtes Meldesystem ja auch Chancen für Unternehmen. So können bspw. Missstände zunächst intern geprüft werden, bevor sie an die Öffentlichkeit gelangen.

Welche Vorteile sehen Sie noch in der Verabschiedung des Gesetzes?

Viele Unternehmen haben bereits verstanden: Meldungen finden statt. Es ist in der Praxis nicht möglich, diese zu verhindern. Daher sollten diese Meldungen zumindest an eine interne Stelle gerichtet sein. Dies ermöglicht mir in der Regel eine rasche Bearbeitung und eine wirksame Behebung der aufgezeigten Missstände. Zusätzlich ist die Einhaltung bestimmter Richtlinien auch ein Marketinginstrument. In Großbritannien gibt es dieses Thema bspw. sehr ausgeprägt mit dem Modern Slavery Act. Aktiv zu kommunizieren, dass man auch bereit ist, eine Extrameile für die vertretenen Werte zu gehen, wirkt sich positiv auf die Wahrnehmung aus – intern und extern.

Was sollten Unternehmen jetzt als Erstes tun, um sich auf das Inkrafttreten des Gesetzes vorzubereiten? Was hat aus Ihrer Sicht höchste Priorität?

Die erste Frage sollte sein, zu klären: Wo stehen wir als Unternehmen? Existiert ein Verhaltenskodex? Existiert eine Compliance-Funktion? Existiert ein internes Meldeverfahren? Wie haben wir bislang unsere Mitarbeiter darüber informiert, welche Bedeutung solche Hinweise für uns haben? Hieraus lassen sich in der Regel die erforderlichen Maßnahmen passgenau und mit sehr überschaubarem Aufwand ableiten, um nicht unnötige Ressourcen zu binden.

Herzlichen Dank für das Gespräch. Wenn Sie mehr zum Thema Hinweisgberschutzgesetz erfahren wollen, hier geht es zu unserem kompakten Whitepaper.