Zur Person: Birsen Geren blickt bereits auf eine über 6-jährige Erfahrung in der Personalberatung zurück. Als Managerin für die Spezialisierung Sales/HR ist sie seit Beginn bei der tebe. Personalberatung an Bord und nutzt gerade eine Workation in der Türkei als Quelle für ihre tägliche Inspiration. Von kleinen und mittelständischen Unternehmen bis hin zu großen Konzernen berät sie Unternehmen aus den unterschiedlichsten Branchen.
Birsen, das Thema Cost of Vacancy hat durch den allgemeinen Fachkräftemangel und den sich verändernden Kandidatenmarkt nochmals an Bedeutung gewonnen. Wie erlebst Du diese Veränderung im Austausch mit Unternehmen?
Ich glaube, grundsätzlich sprechen wir in Deutschland schon sehr lange über einen Fachkräftemangel. Meine Marktbeobachtung dahingehend ist, dass sich das seit der Corona Pandemie nochmals verschärft hat. Jetzt ist der Punkt erreicht, an dem es in den Unternehmen deutlich spürbar ist. Und zwar insbesondere bei den kleinen bis mittelständischen Unternehmen – oftmals den Hidden Champions. Diese können nicht auf eine starke Marke und Bekanntheit wie bspw. Konzerne zurückgreifen. Der Konkurrenzdruck am Markt wird jetzt sehr deutlich erlebt. Hinzu kommt: auch die Kandidat:innen selbst haben sich verändert und ganz andere Vorstellungen der Arbeitsgestaltung. Flexibilität ist hier eins der zentralen Schlagwörter.
Du erwähnst hier besonders den Mittelstand. Liegt die Herausforderung denn auch in der personellen Aufstellung der Personalabteilung?
Klar, auch die Größe einer Abteilung kann einige Herausforderungen mit sich bringen. Allerdings in beide Richtungen. Der Mittelstand tut sich eher schwer mit den Reaktionszeiten und ist nicht so anpassungsfähig. Konzerne stehen sich eher selbst bei den Prozessen im Weg, da ggfs. zu viele Personen involviert sind. Grundsätzlich stelle ich oft fest, dass die eigene Unternehmenskultur erst im Gespräch mit uns hinterfragt wird. Plötzlich gibt es dann ein Bewusstsein dafür, dass das Angebot von nur 1 Tag Homeoffice nicht mehr dem aktuellen Kandidaten-Markt entspricht und es keine weiteren Benefits gibt, anhand derer man sich vom Wettbewerb abheben könnte.
Und auch die Gehälter spielen eine Rolle, und da sind die Konzerne natürlich besser aufgestellt. Der Mittelstand kann sich hier nur durch zusätzliche Employer Benefits vom Wettbewerb abheben.
Hast Du denn grundsätzlich das Gefühl, dass Gehälter wieder eine größere Rolle spielen seit den multiplen Krisen?
Die multiplen Krisen sind ein guter und wichtiger Punkt. Vor den Krisen stand das Monetäre eher an zweiter oder dritter Stelle: Da standen Flexibilität und Vertrauen im Zentrum der Kandidatenwünsche. Heute ist es so, dass das Monetäre wieder in den Vordergrund gerückt ist. Eine Haupt-Wechselmotivation ist die Gehaltssteigerung. Natürlich möchte ich mich hier verbessern, wenn ich den Job wechsle. Zudem ist Flexibilität in der Arbeitszeit inzwischen etwas Selbstverständliches. Einen Kandidat, der aus Vertrauensarbeitszeit zurück in eine starre 40-Stundenwoche geht, sucht man am Markt vergebens.
In unserem Blogbeitrag haben wir bereits über die wichtigste Stellschraube zur Senkung der CoV berichtet. Was sollten Unternehmen darüber hinaus tun, um den richtigen Bewerber für die Position zu finden?
Die herausforderndste Situation für Unternehmen im Recruiting ist die Kündigung eines Mitarbeitenden. Denn meistens kommt diese überraschend – entweder, weil alle Signale vorab ignoriert werden oder schleichend und innerlich gekündigt wurde. Der Mitarbeitende ist dann von heute auf morgen nach Abzug des Resturlaubs raus. Ab jetzt läuft quasi die Uhr und treibt die Kosten für die Unternehmen in die Höhe. Allerdings ist das erst etwas zeitversetzt spürbar. Und das Unternehmen kann in dieser Situation nur noch reagieren: Der Mitarbeitende ist weg, die Arbeit aber nicht. Kollegen fangen Tätigkeiten mit auf, sammeln ggfs. Überstunden, die sie dann irgendwann wieder abbauen müssen. Ein Teufelskreis.
Ziel sollte es nun sein, die Cost of Vacancy so gering wie möglich zu halten. Und hier spielt das Thema Entscheidungen eine zentrale Rolle. Nur wenn ich jetzt zeitnah Entscheidungen treffe, kann ich die CoV minimieren. Sprich: Wie und mit wem möchte ich an den Markt herantreten? Hier müssen alle relevanten Personen einbezogen werden. Also nicht nur die HR, sondern auch der entsprechende Fachbereich. Es muss ein klares Bild vom Suchprofil definiert werden. Und zwar in der aktuellen Situation. Die Stelle, die der Mitarbeitende über die letzten 3 Jahre hatte, kann sich inzwischen auch verändert haben, ebenso die Unternehmenskultur usw. Der Worst Case wäre also, einfach mal schnell die ursprüngliche Stellenanzeige zu schalten.
Den richtigen Kandidaten für die Stelle kann ich nur finden, wenn ich hier ganz klar bin: Was suche ich und wen?
Also sollte der Fokus auf der Analyse und darauf aufbauend auf der Rekrutierungs-Strategie liegen?
Absolut. Das spiegelt auch unsere Arbeitsweise wider. Wenn ein Kunde mit uns in die Kommunikation geht, ist es uns wichtig, ALLE Entscheider – und damit meinen wir den Fachbereich, den Teamleiter, aber auch HR – an einen Tisch zu bekommen und wirklich zu verstehen, wer sucht was und wen. Es muss eine Übereinstimmung in diesem Suchbild geben. Nicht nur, was die Fähigkeiten, sondern auch, was die Persönlichkeit betrifft. Nur wenn alle mit demselben Bild raus gehen, lässt sich der passende Kandidat finden.
Was ist das Besondere an der Beratung durch tebe., worauf liegt der Schwerpunkt?
Wir sind keine CV Presenter, die einfach Profile nach bestimmten Kriterien rausschicken. Ganz im Gegenteil. Wir sind sehr stark in der Analyse und sehen genau hin. Wenn der Kunde (HR und Fachbereich) nicht bereit ist, die Zeit zu investieren, um eine detaillierte Jobbesprechung zu machen, können wir den Auftrag nicht annehmen. Der Grund ist ganz einfach: Wenn es keine Klarheit, kein einheitliches Bild, zu der Vakanz gibt, ist es nicht möglich, einen geeigneten Kandidaten in kurzer Zeit zu finden. Die Bereitschaft, den von uns mehrfach erprobten Prozess gemeinsam mit uns zu gehen, muss da sein.
Wir verstehen uns als Partner und Berater auf Augenhöhe und benötigen gegenseitiges Vertrauen, damit der Prozess klar und in der definierten Zeit durchlaufen wird. Ansonsten verliert man die Kandidaten, die inzwischen sehr sehr viele Angebote erhalten. Für diese sind Geschwindigkeit, Offenheit und Verlässlichkeit im Prozess absolut entscheidend. Hinzu kommt natürlich auch, dass Unternehmen vermehrt Gegenangebote machen, um die eigenen Mitarbeitenden zu halten. Deshalb ist das Commitment, das man dem Kandidaten geben kann, ausschlaggebend. Und zwar schon bei der ersten Ansprache.
Was gehört noch zu einer stimmigen Candidate Experience? Gibt es hier Dos & Don'ts, die dir einfallen?
Die Candidate Experience startet ja bereits mit dem ersten Kontakt zum Unternehmen. Hier ist eine Stellenanzeige längst nicht mehr ausreichend bzw. besteht auch ein höheres Risiko, dass sich nicht passende Kandidat:innen bewerben. Und auch um diese muss man sich dann kümmern.
Am wichtigsten ist die Überlegung, wo ich meine Ziel-Kandidaten erreiche. Welcher Kanal ist der Richtige? Und ein absolutes Don`t: Den Kandidatenmarkt als Einbahnstraße zu sehen. Es darf auf keinen Fall das Gefühl vermittelt werden, dass der Bewerber sich im Interview bewerben und sich beweisen muss. Wer mit dieser Einstellung in ein Vorstellungsgespräch geht, wird den Kandidaten verlieren. Die Ansprechpartner im Unternehmen müssen sich im Klaren darüber sein, dass auch sie die Bewerber von sich überzeugen müssen.
Eine letzte Frage zum Schluss. Wenn Du jetzt einen Hack nennen sollst, den jedes Unternehmen mit wenig Aufwand sofort umsetzen kann, welcher wäre das?
Das ist natürlich schwierig. Aber mein Tipp ist es, alle Entscheider an einen Tisch zu bringen und sich 60 Minuten Zeit für eine kurze Analyse zu nehmen. Und zwar zum einen der aktuellen Jobbeschreibung und zum anderen natürlich auch der Persönlichkeit, die gesucht wird.
Zusätzlich sollte man sich auch mit dem Thema Wissenstransfer beschäftigen. Sobald meine Fachkraft gekündigt hat, verliere ich Know-How. Denn dieses nimmt die Person mit, wenn sie das Unternehmen verlässt. Ein Know-How Transfer muss stattfinden und zwar kurzfristig. Oftmals ist das mit dem verbleibenden Team nicht möglich. Hier sollte man auch über die Vorteile eines Interim Managers nachdenken, der das Know How sammelt, im Unternehmen hält und nach Besetzung der Stelle an den neuen Kollegen transferiert.
Wenn Sie Fragen zum Thema haben oder mehr Informationen wünschen, wie Sie Ihre CoV mithilfe der tebe. reduzieren können, schreiben Sie Birsen Geren und Ihrem Team gern eine kurze Email.